Die Veranstaltung war gut besucht, die Gute Stubb trotz enger Bestuhlung voll besetzt. Ziel war es, Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung bei Windenergieanlagen aufzuzeigen, aber auch, unschlüssige Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, beim Bürgerentscheid am 8. Oktober 2023 mit JA zu stimmen.
Bevor der eingeladene Referent, Herr Norbert Wolter, Geschäftsführer der Bürgersolar Eltville GmbH & Co. KG und der Bürger-Wind-Rheingau GmbH & Co KG, aus seinem reichen Erfahrungsschatz berichtete, begrüßte Helmut Murr, einer der Sprecher des Bündnisses, die Besucherinnen und Besucher. Anhand einer an die Wand projizierten Karte erläutert er zunächst die Lage der drei Windkraft-Vorranggebiete. Gebiet 1 liegt zwischen Engenhahn und Königshofen nördlich Hohe Kanzel, Gebiet 2 zwischen Oberseelbach und Oberjosbach westlich Nickel und Gebiet 3 am Hahnberg zwischen Niedernhausen und Naurod. Ausschließlich das Gebiet am Hahnberg befindet sich im alleinigen Eigentum der Gemeinde Niedernhausen. Die Fläche nördlich Hohe Kanzel gehört zu ca. 90% dem Land Hessen bzw. der Stadt Idstein, das Gebiet westlich Nickel zu 80% der Stadt Eppstein.
Helmut Murr schilderte dann kurz die Entstehungsgeschichte des Aktionsbündnisses, beginnend mit dem Beschluss der Gemeindevertretung aus dem Jahr 2013, in Niedernhausen keine Windkraftanlagen zuzulassen. Bereits nach den letzten Kommunalwahlen im Frühjahr 2021 setzte aber ein Umdenken in den Reihen der Gemeindevertretung ein. Der Ukrainekrieg und die daraus resultierende Energieknappheit zeigten die dringende Notwendigkeit, Abhängigkeiten bei der Energieversorgung zu reduzieren. Der bedauernswerte Zustand unseres Waldes und die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels trugen hierzu sicherlich ebenfalls bei. Folgerichtig wurde von der Gemeindevertretung der Beschluss gegen den Windkraftausbau aus dem Jahr 2013 gekippt, eine Mehrheit für den Ausbau von Windkraftanlagen auf gemeindeeigenem Grund kam aber nicht zustande. Man einigte sich auf den Bürgerentscheid am 8. Oktober 2023. Das Bündnis Pro Windkraft Niedernhausen möchte nun als Zusammenschluss einzelner engagierter Bürgerinnen und Bürger sowie der Pro-Windkraft-Fraktionen Bündnis90/Grüne, SPD, WGN, OLN und unabhängiger Gemeindevertreter dazu beitragen, diesem Bürgerentscheid zu einem Erfolg für ein nachhaltiges Niedernhausen zu verhelfen.
Der Gastreferent Norbert Wolter erläuterte dann zunächst die grundsätzlich notwendigen und zeitaufwändigen Schritte bis zur Realisierung einer Windkraftanlage. Dazu zählen die politische Entscheidung der Gemeindevertretung nach positivem Ausgang des Bürgerentscheids, Fachgutachten und behördliche Genehmigungen, der Abschluss von Pachtverträgen mit Flächeneigentümern, die Verhandlung mit dem Projektentwickler über Beteiligungsmöglichkeiten, die Übertragung an eine Betreibergesellschaft, ggf. der Abschluss von Kooperationsverträgen. Mit mindestens zwei Jahren bis zum Beginn der Bauphase sei zu rechnen, die etwa nochmals den gleichen Zeitraum erfordert.
Anschließend stellte Herr Wolter verschiedene Varianten eines Bürgerengagements vor und erläuterte ihre Vor- und Nachteile. Eine Bürgerbeteiligung kann sehr indirekt erfolgen und sich auf eine finanzielle Beteiligung beschränken. Eine Einflussnahme auf das Projekt ist dann nicht möglich. Anders sieht das bei einer direkten Beteiligung etwa über Anteile an einer GmbH & Co. KG oder Genossenschaft aus. Hier ist eine echte Mitwirkung möglich über einzelne Standorte, die Zuwegung und vieles mehr. Einflussnahme bedeutet aber immer auch Risikobeteiligung. Noch weitgehender wäre eine Einflussnahme bei Bildung einer Bürgerenergiegenossenschaft, die den Strom weitgehend selbst vermarktet. Die Projektausgestaltung liegt dann ganz bei den beteiligten Bürgerinnen und Bürgern, Gewinne und Risiken ebenso.
Mit der Schilderung von Erfahrungen der Bürger-Wind-Rheingau GmbH & Co KG rundete Herr Wolter seinen Beitrag ab. In der Planungsphase haben sich in Eltville rund 200 Bürgerinnen und Bürger mit 500 bis 1000 Euro beteiligt. Für die Realisierungsphase wurden von einigen Beteiligten bereits Einlagen zwischen 20 000 und 50 00 Euro avisiert. Der Bau von zwei großen 6-Megawatt-Anlagen erfordere etwa 30 Mio. Euro, wobei 10% davon durch Eigenkapital gedeckt sein sollte. Wie auch immer eine Bürgerbeteiligung erfolgt, Gewinner sei aber in jedem Fall die Gemeinde: pro Anlage sei jährlich mit Einnahmen in Höhe von rund 200 000 Euro zu rechnen, allein durch die Gewerbesteuer, Pachteinnahmen und den der Gemeinde zustehenden Anteil an den Stromerlösen (0,2 Cent pro Kilowattstunde).
Mit einer kurzen Diskussion insbesondere über den Umfang der Beteiligung durch Bürgerinnen und Bürger und die Gemeinde sowie mit einem Dank an den Referenten Norbert Wolter wurde die Veranstaltung beendet.
Exklusiv hier auf der Homepage haben wir die Präsentationsfolien zum Download als PDF hinterlegt